Datum der Verkündung: 19.07.2021
Gericht: Landgericht Nürnberg-Fürth
Spruchkörper: 19. Zivilkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 19 0 6690/20
ECLI: nicht vorhanden
Vorinstanz: keine
Im Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 30.10.2018 hatte ein Spieler bei einem Online-Casino der Beklagten „ElectraWorks Limited“ mehr als 38.000 Euro verloren. Die Verluste beruhten dabei auf der Teilnahme des Spielers an Glücksspielen und Sportwetten, welche die Beklagte auf ihrer Seite angeboten hatte. Der Kläger forderte die Beklagte im Anschluss zur Rückzahlung des Einzahlungsbetrages (abzüglich der Auszahlungen) auf. Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied daraufhin am 19.07.2021, dass die von der Kanzlei Lenné (Leverkusen) eingereichte Klage sowohl zulässig als auch begründet sei. Es verurteilte die Beklagte zur Zahlung der 38.713,08 Euro nebst Zinsen zurück an den klagenden Spieler.
Die internationale Zuständigkeit des LG Nürnberg-Fürth ergebe sich nach diesem aus Art. 18 Abs. 1,17 Abs. 1 c) EuGVVO. In Ermangelung eines Hinweises auf die bleibende Anwendbarkeit des zwingenden innerstaatlichen Rechts in den AGB der Beklagten, entsprechen diese nicht dem erforderlichen Transparenzgebot für AGBs. Dies habe zur Folge, dass eine abweichende Rechtswahl im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Rom-I Verordnung nicht bestehe, womit deutsches Recht anwendbar sei.
Ein Anspruch des Klägers folge nach dem Landgericht aus § 812 Abs. 1,1. Alt. BGB. Die Spielverträge zwischen der Beklagten und dem Spieler seien aufgrund der fehlenden Erlaubnis zum Anbieten von Glücksspielen und Sportwetten nichtig nach § 134 BGB in Verbindung mit dem damaligen § 4 GlüStV. Etwaige „aktive Duldungen“ von Behörden seien für diese Beurteilung nicht von Bedeutung. Es sei zudem nicht von Relevanz, dass sich die Beklagte als Anbieterin der Glücksspiele und Sportwetten um eine Erlaubnis zum Anbieten jener Spiele und Wetten bemüht hatte. Die Beklagte trug vor, dass sich eine Erlaubniserteilung angebahnt hätte, sodann aber das entsprechende verwaltungsrechtliche Verfahren nicht durchgeführt worden sei. Auch diese Argumentation überzeugte das LG Nürnberg-Fürth nicht. Das Anbieten von Sportwetten und Glücksspielen sei aufgrund der eindeutigen Rechtslage ohne entsprechende Erlaubnis illegal gewesen und führe bis zum Erhalt einer solchen Erlaubnis somit zur Nichtigkeit abgeschlossener Spielverträge.
Entgegen der Auffassung der Beklagten konstatierte das Landgericht Nürnberg-Fürth zudem, dass die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB in diesem Fall nicht greife, da ansonsten ein Anreiz für die sittenwidrig Handelnden zum Fortsetzen des Gesetzesverstoßes geschaffen wäre. Dies würde dem vom Gesetzgeber bezweckten Schutz der Verbraucher vor Gefahren des Glücksspiels zuwiderlaufen und sei zudem der Grund, weswegen ebenfalls eine Treuwidrigkeit nach § 242 BGB ausgeschlossen sei.
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 19 0 6690/20
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
**
Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Lenne, Max-Delbrück-Straße 18, 51377 Leverkusen, Gz.: 981/20 DK01
gegen
**
Beklagte -
Prozessbevollmächtigte: **
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 19. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2021 folgendes
Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche aus Internet-Sportwetten und -Glücksspiel bezüglich eines Zeitraumes vom 01.01.2017 bis zum 30.10.2018.
Die Beklagte betreibt eine Internetseite, auf welcher an diversen Sportwetten und Glücksspielen teilgenommen werden kann. Diese Seite ist auch in deutscher Sprache verfügbar. Die Beklagte war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht Inhaber einer Erlaubnis nach § 4 GlüStV. Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum einer Vollzeittätigkeit in Nürnberg nachging, nahm von seinem jeweiligen Wohnsitz an den Angeboten der Beklagten teil. Der Kläger leistete im streitgegenständlichen Zeitraum Einzahlungen in Höhe von 44.597,46 € und erhielt von der Beklagten Auszahlungen in Höhe von 5884,38 €. Der Kläger verlor einen Betrag in Höhe von 13.234,02 € für Online-Sportwetten, im Übrigen wurden die eingezahlten Beträge für Casinospiele verwendet. Mit E-Mail vom 01.10.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückzahlung des um die Auszahlungen verminderten Einzahlungsbetrag für den streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 11.10.2020 auf.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38.713,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 12.10.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
Die zulässige (A.) Klage ist begründet (B.).
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht für den zu entscheidenden Sachverhalt zuständig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Artt. 18 Abs. 1,17 Abs. 1 c) EuGVVO (I.), deutsches Recht ist vorliegend anwendbar (II.).
Insbesondere handelte der Kläger in Bezug auf die Teilnahme an den streitgegenständlichen Online-Angeboten der Beklagten als Verbraucher im Sinne von Art. 17 EuGVVO.
Auch wenn die Beklagte den klägerischen Vortrag zu den Umständen seiner Spielteilnahme - pauschal - bestritten bzw. sich mit Nichtwissen erklärt hat (vergleiche Blatt 26 f„115 der Akte), ist angesichts des substantiierten klägerischen Vortrags kein Sachverhalt ersichtlich, nach welchem eine Teilnahme am Internetangebot der Beklagten einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im vorliegenden Fall zurechenbar wäre.
Auf den substantiierten Klägervortrag, dass der Kläger eine Vollzeittätigkeit bei einem - benannten - Arbeitgeber während der gesamten geltend gemachten Spieldauer ausübte, folgt kein in irgendeiner Weise substantiiertes Bestreiten der Beklagten, weshalb von diesem und den übrigen klägerseits angeführten Umständen der Spielteilnahme als unstreitig auszugehen ist, § 138 Abs. 2 ZPO, damit auch wie vom Kläger dargelegt, dass er an den Spielen von seinem Wohnsitz aus teilgenommen hat.
Eine wirksame abweichende Rechtswahl im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Rom-l Verordnung liegt bereits deshalb nicht vor, weil die fragliche AGB-Klausel den AGB-rechtlichen Transparenzgeboten nicht genügt, da in ihr nicht auf die bleibende Anwendbarkeit zwingenden innerstaatlichen Rechts im Sinne von Art. 3 bzw. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-1 Verordnung hingewiesen wird (vgl. BeckOGK/Wendland, 1.2.2020, Rom l-VO Art. 3 Rn. 288 m.w.N.).
Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in der geltend gemachten Höhe aus § 812 Abs. 1,1. Alt. BGB, weil die streitgegenständlichen Glücksspielverträge (auch soweit es sich um Sportwetten gehandelt hat) wegen Verstoßes gegen § 134 BGB in Verbindung mit § 4 GlüStV nichtig sind (I.). Die Rückforderung ist auch nicht wegen § 817 Satz 2 BGB oder § 242 BGB ausgeschlossen (II.).
Die Voraussetzungen von § 812 Abs. 1,1. Alt. BGB sind gegeben.
Die Beklagte hat die geltend gemachten Umstände insoweit nur in unzulässigerweise pauschal bestritten, bzw. sich - was ausgeschlossen ist, weil es der eigene Wahrnehmungsbereich der Beklagten ist - mit Nichtwissen erklärt, mit der Folge des § 138 Abs. 2 ZPO.
wegen Verstoßes gegen § 134 BGB in Verbindung mit § 4 GlüStV nichtig sind.
Damit war es ihr generell und von vorneherein verboten, die streitgegenständlichen Glücksspiele und auch Sportwetten anzubieten, und ein entsprechender Verstoß zieht die Nichtigkeitsfolge nach sich (vgl. BeckOGK/ Vossler, 1.6.2021, BGB § 134 Rn. 219 m.w.N).
Nach klarer Gesetzeslage hätte die Beklagte schlicht und ergreifend so lange von der Durchführung ihres ohne Erlaubnis illegalen Angebotes absehen müssen, wie sie keine
wirksame Erlaubnis innehatte.
Nach überzeugender Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes folgt auch aus dem - beklagtenseits zur Begründung der angeblichen Rechtmäßigkeit jedenfalls ihres Sportwettenangebots herangezogenen - Umstand, dass nach einer Entscheidung des EuGH (C< 66/14) unter bestimmten Umständen strafrechtliche Sanktionen nicht verhängt werden dürfen, nicht, dass deswegen eine nicht erteilte Genehmigung nach dem GlüStV anzunehmen wäre oder eine sonstige Legalisierungswirkung vorläge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07. November 2018 - 8 B 29/18 -, Rn. 14, juris). Auch die beklagtenseits angeführten mittlerweile eingetretenen weiteren Entwicklungen vermögen - diese unterstellt - eine abweichende rechtliche Bewertung für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu begründen.
Einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung stehen auch weder § 817 BGB (1.) noch §242 BGB (2.) entgegen.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe kann angesichts des offensichtlichen und eklatanten Hinwegsetzen der Beklagten über geltendes Recht ein Kondiktionsausschluss nicht greifen:
Anderenfalls bliebe der Gesetzesverstoß der Beklagten folgenlos, und der vom Gesetzgeber bezweckte Verbraucherschutz vor den Gefahren des Glücksspieles ausgehebelt, und die die Möglichkeit zum möglichen Verstoß auch des Klägers erst bietende Beklagte hätte keinen Anreiz, ihr Verhalten, nämlich das rechtswidrige Anbieten von Glücksspielen, einzustellen. Nur die Rückforderungsmöglichkeit der um die Gewinne bereinigten Einsätze der Spieler kann die Machenschaften illegaler Glücksspielanbieter wie - jdf. im streitgegenständlichen Zeitraum - der Beklagten eindämmen, weil nur so sichergestellt ist, dass sich das Hinwegsetzen über geltendes Recht auch wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Ein Ausschluss der Kondiktion würde den rechtlich missbilligten Vermögenszustand demgegenüber in unerträglicher Weise perpetuieren.
Nach der gesetzgeberischen Wertung ist also die Rückgängigmachung der rechtswidrig erlangten Gewinne der Beklagten in klarer Übereinstimmung mit der Rechtslage und mehr noch gefordert, vgl. soeben 1.; die Rückforderung des Verbrauchers ist daher in keiner Weise treuwidrig.
Der geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzugsgesichtspunkten, vergleiche auch Anlage K4.
Die Kostentragung richtet sich nach § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO.
gez.
Richter am Landgericht
Verkündet am 19.07.2021
gez.
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Für die Richtigkeit der Abschrift Nürnberg, 20.07.2021