Unzählige Menschen starren regelmäßig gebannt auf ihren Bildschirm, wenn bekannte Streamer auf Twitch Online-Glücksspiel übertragen. Doch was auf den ersten Blick nach einem harmlosen Zeitvertreib für Zehntausende von Zuschauern aussieht, wirft nicht nur rechtliche Fragen auf, sondern kann für viele unter ihnen schwerwiegende Folgen haben. Nachfolgend finden Sie übersichtlich zusammengestellt, wobei es sich beim Streaming von Online-Glücksspiel über Twitch überhaupt handelt und was daran problematisch ist:
Dass der Markt für Gaming mittlerweile eine echte Wirtschaftsrelevanz entwickelt hat, dürfte allgemein bekannt sein. E-Sport erfreut sich großer Beliebtheit und ermöglicht den Spielern daher zusätzliche Einkünfte neben Preisgeldern, Sponsorenverträgen etc. Eine solche Einkommensquelle stellt Twitch dar, bei dem Nutzer in Live-Streams den Streamern beim Gaming zuschauen können.
Doch abseits von gewöhnlichen Videospielen streamen einige Zocker Online-Casinos und ziehen damit unzählige Zuschauer in ihren Bann. Die Streamer sitzen vor dem PC, spielen auf Webseiten von Online-Glücksspielanbietern und filmen sich und ihre Reaktionen live. Dabei unterstreichen die Abonnentenzahlen erfolgreicher Twitcher die enorme Bedeutung des Online-Glücksspiels auf der Plattform: Topakteure wie „Knossi“ oder „MontanaBlack“ verfügen zum Teil über mehr als 2 Mio. Follower. Sie können mit dieser Beschäftigung äußerst erfolgreich ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Das System hinter der Plattform ist einfach und somit ideal für die Spieler von Online-Glücksspiel auf Twitch. Die Gamer benötigen lediglich einen eigenen Kanal, der in wenigen Momenten erstellt ist. Anschließend können sie ihren Bildschirminhalt und auch weitere Inhalte, wie bspw. das Videosignal ihrer Webcam, über ihren Kanal streamen. Zuschauer können dann die gestreamten Inhalte live verfolgen und über die Kommentarfunktion mit den Streamern interagieren.
Grundsätzlich ist die Teilnahme an einem Live-Stream kostenfrei. Für die Twitcher ergeben sich aus den Zuschauern keine direkten Einnahmen. Allerdings können die Nutzer den Spielern Geld spenden oder auch gegen einen bestimmten monatlichen Betrag Abonnenten werden.
Das zuvor erläuterte Modell von Twitch ist so harmlos wie sinnvoll: Es dient der Vernetzung von Live-Streamern und Zuschauern und ermöglicht gleichzeitig die freiwillige finanzielle Unterstützung der Gamer.
Allerdings machen sich die Online-Glücksspielbetreiber das Twitch-Modell zunutze und profitieren von Werbung, die die Gamer für die Anbieter machen. Die Spieler nutzen sog. Reflinks auf ihren Kanälen, mit denen sie interessierte Zuschauer auf die Webseiten der Online-Glücksspielbetreiber weiterleiten. Eröffnet der Kunde anschließend ein Konto bei den Online-Casinos und zahlt Geld auf sein Konto ein, fließen je nach Werbemodell bereits erste Vergütungen an den Werbenden, also den Twitch-Spieler.
Noch perfider ist allerdings das gängige Vergütungsmodell, wonach die Werbenden von den Verlusten der Geworbenen profitieren. Nach Aussagen von Online-Glückspielern auf Twitch gegenüber ZDF Frontal21 liegt die übliche Beteiligung an den Verlusten bei stolzen 45-50%. In Anbetracht der Tatsache, dass Online-Glücksspiel ein hohes Suchtpotenzial hat, eine lukrative Rendite für die Gamer.
Zusammenfassend profitieren die Twitcher also von dem enormen Suchtpotenzial von Online-Casinos.
Die Streamer von Online-Casinos auf Twitch bewegen sich mit dieser Praxis allerdings zumindest in einer rechtlichen Grauzone. Nach der derzeitigen Rechtslage ist das Online-Glücksspiel in Deutschland verboten; eine Ausnahme besteht nur für Schleswig-Holstein. Allerdings sitzen die meisten Anbieter – anders als es die Internetauftritte suggerieren – im Ausland. Allen voran der EU-Inselstaat Malta gilt unter anderem wegen seines vorteilhaften Steuersystems als Firmensitz der Wahl der Online-Glücksspielanbieter. Die dubiosen Machenschaften auf der Mittelmeerinsel wurden bereits von Jan Böhmermann bei ZDF Magazin Royale im Zusammenhang mit Online-Glücksspiel in Deutschland thematisiert.
Die Streamer von Online-Glücksspiel können daher gegen § 5 Abs. 5 Glücksspielstaatsvertrag zuwiderhandeln. Danach ist die Werbung für unerlaubte Glücksspiele verboten. Des Weiteren ist auch an eine strafrechtliche Verantwortlichkeit gem. § 285 StGB zu denken. Der Tatbestand stellt die Beteiligung an unerlaubtem Glückspiel unter Strafe. Den Spielern würde so im schlimmsten Fall eine sechsmonatige Freiheitstrafe drohen.
Doch bislang werden die Online-Glücksspielanbieter weitestgehend geduldet. Dies hat auch Auswirkungen auf die Verfolgung der Streamer auf Twitch, die bis auf wenige Einzelfälle bislang unbehelligt ihrem zweifelhaften Erwerb nachgehen können.
Ein Fall wurde jedoch von einem Twitcher selbst bekannt gemacht: Im Januar 2019 teilte MontanaBlack auf Twitter einen Beschluss des Amtsgerichts Stade. Im Zuge der Ermittlungen soll eine Hausdurchsuchung u.a. wegen des Verdachts des unerlaubten Glücksspiels durchgeführt worden sein.
MontanaBlack, der mit bürgerlichem Namen Marcel Eris heißt, bestätigte die unterschiedliche Handhabung der Bundesländer hinsichtlich dieser Problematik. Dies sei der Grund, warum andere bekannte Streamer von Online-Glücksspiel auf Twitch bislang nicht in Konflikt mit den Behörden gerieten.
Dabei ist die Problematik der Streamer von Online-Glücksspiel auf Twitch durchaus auch medienpräsent. So warnte bereits die Neurologin Dr. Monica Vogelgesang in einer Reportage des ZDF-Formats Frontal21 vor den Gefahren, die von den Twitchern ausgingen. Die Spieler stellten durch ihren Live-Stream für Zuschauer eine
„Verführungssituation dar, dass Leute, die dafür empfänglich sind, Glücksspiel anzufangen, vermehrt spielen oder auch wieder rückfällig werden.“
Und auch in parlamentarischen Debatten war die Problematik der Streamer von Online-Casinos auf Twitch bereits Gegenstand. So verdeutlichte Lasse Petersdotter vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf einer Sitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtages (Plenarprotokoll 19/81, Seite 6204) die Absurdität der mangelnden Durchsetzung des Verbots von Online-Glücksspiel anhand der Twitch-Problematik:
„Ich möchte Ihnen das ganze Ausmaß der Absurdität zeigen. Twitch ist eine Plattform, auf der man online Computerspiele gucken kann. Da kann man sich auch online Glücksspiele ansehen. […] Das gucken sich zehntausende Menschen an. Dieser Mensch, der da spielt, sitzt in Deutschland und spielt ein illegales Spiel, und trotzdem ist es überhaupt kein Problem, das so zu machen. Er verdient sein Geld nicht mit dem eigentlichen Spiel, sondern weil er Links zu den Casinos unten in der Videobeschreibung hat.
Er bekommt einmal Geld für die Leute, die sich beim Casino angemeldet haben und - was noch viel interessanter ist - er erhält Geld für jeden Euro, den der Mensch, der sich über seinen Link angemeldet hat, verloren hat, in Höhe von etwa 50 %. Das ist die Realität.
Auf der anderen Seite hat man eine politische Debatte über die Aussage: ‚Glücksspiel ist in Deutschland verboten‘, und will sich damit nicht auseinandersetzen; denn Deutschland hat den größten Online-Glücksspielmarkt Europas.“
Die mangelnde Durchsetzung des Glücksspielstaatsvertrags durch die Behörden der Bundesländer im Hinblick auf Online-Casinos auf Twitch verdeutlicht das Desinteresse der zuständigen Stellen, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Die Einigung der Bundesländer über eine Duldung bislang illegaler Glücksspiele ab dem 15. Oktober 2020 unterstreicht diesen fehlenden Willen.
Lassen Sie sich davon aber nicht abhalten, Ihre in der Vergangenheit erlittenen Verluste beim Online-Glücksspiel zurückzufordern. Ohne Anwalts- und Gerichtskosten prüfen wir für Sie die Möglichkeit, Ihr verlorenes Geld zurückzuholen.