Das Glücksspielrecht ist ein äußerst sensibles Thema in Deutschland, das nicht nur in politischen Debatten, sondern auch in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert wurde und wird. Auf der einen Seite befinden sich Glücksspielanbieter, die ein Interesse an möglichst ungestörter Tätigkeit haben. Auf der anderen Seite steht der Staat, dessen Aufgabe es ist, für einen angemessenen Jugendschutz und eine effektive Suchtprävention zu sorgen.
Der Gesetzgeber hat sich daher für eine gesetzliche Regelung des Glücksspielrechts in Deutschland entschieden: den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Doch aufgrund von zahlreichen Änderungen des Staatsvertrags und kritischer Gerichtsentscheidungen dazu ist das Glücksspielrecht für den Laien nur schwer verständlich. Der nachfolgende Überblick soll daher den juristischen Dschungel lichten:
1. Wer darf das Glücksspiel regeln?
2. Der Weg zur bundeseinheitlichen Regelung – der Glücksspielstaatsvertrag
3. Die Reformen des Ersten Glücksspielstaatsvertrags – von 2012 bis heute
4. Ein Blick in die Zukunft: Der Glücksspielstaatsvertrag 2021
5. Fazit: Das Glücksspielrecht in Deutschland – meist illegales Handeln der Anbieter
Das Glücksspielrecht verfolgt verschiedene Ziele, wobei zwei Zwecke besonders hervorzuheben sind:
Aus diesem Grund wird das Glücksspielrecht dem sog. Gefahrenabwehrrecht zugeschrieben. Rechtliche Regelungen im Rahmen dieses Bereiches dürfen nur von den Bundesländern vorgenommen werden. Beim Glücksspielrecht handelt es sich also um sog. Landesrecht.
Dies führt in der Praxis allerdings zu einem schwerwiegenden Problem: Da jedes Bundesland das Glücksspiel selbstständig regeln darf, könnten in Deutschland 16 verschiedene Gesetze zum Glücksspiel gelten. Um eine solche Rechtszersplitterung zu vermeiden, einigten sich die Bundesländer auf ein gemeinsames Vorgehen:
Bis zum Jahr 2008 waren die Regelungen zum Glücksspiel von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Jedes Land hatte also ein anderes Glücksspielrecht, wie bspw. der Freistaat Bayern das „Staatslotteriegesetz“. Dieses Gesetz war auch der Anlass für eine wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil v. 28.03.2016, 1 BvR 1054/01) zum Glücksspielrecht in Deutschland.
Das Urteil thematisierte das staatliche Monopol für Sportwetten. Zu dieser Zeit konnten Sportwetten in Deutschland nur vom staatlichen Anbieter ODDSET angeboten werden. ODDSET war ein Zusammenschluss der Lotteriegesellschaften der Bundesländer und agierte bundesweit. Das Monopol des Anbieters wurde durch die jeweiligen Landesgesetze zum Glücksspielrecht abgesichert.
Das Bundesverfassungsgericht hielt das staatliche Monopol für Sportwetten in Bayern für unvereinbar mit der Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG, soweit das Monopol nicht an dem Ziel der Suchtprävention ausgerichtet ist. Es unterstellte dem Freistaat insoweit eine gewisse „Scheinheiligkeit“: Das Bundesland würde die wirtschaftliche Bedeutung von Sportwetten unter dem Deckmantel der Suchtprävention monopolisieren.
Aus diesem Grund gab das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber Bayerns den Auftrag bis zum 31.12.2007 eine Neuregulierung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten vorzunehmen, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Dieser Auftrag galt indirekt jedoch auch den übrigen Bundesländern, die ähnliche Regelungen in ihren Glücksspielgesetzen getroffen hatten. Die Länder einigten sich daher auf ein gemeinsames Vorgehen.
Diese einheitliche Lösung wurde schließlich mit dem sog. Ersten Glücksspielstaatsvertrag (Erster GlüStV) getroffen, der von allen 16 Bundesländern ratifiziert wurde. Er trat am 01. Januar 2008 in Kraft und endete bestimmungsgemäß am 31.12.2011 nach vier Jahren.
Der Erste GlüStV regelte bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für die Veranstaltung von Glücksspielen und orientierte sich an den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben. Trotzdem sah auch er sich immer wieder Kritik ausgesetzt. So standen umfangreiche Werbekampagnen der staatlichen Anbieter im Widerspruch zum gesetzgeberischen Auftrag der Spielsuchtbekämpfung und erhärteten den zuvor erläuterten Vorwurf der „Scheinheiligkeit“.
Auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil v. 08.09.2010, C-316/07) sorgte für Verunsicherung bei den Bundesländern. Es sah das staatliche Monopol für Sportwetten äußerst kritisch im Hinblick auf die europarechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 EG (heute Art. 49 AEUV) und Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 49 EG (heute Art. 56 AEUV).
Angesichts der Kritik am Ersten Glücksspielstaatsvertrag wurden zahlreiche Regelungen des Staatsvertrags im Laufe der Zeit durch Reformen geändert. Diese Änderungen wurden durch sog. Glücksspieländerungsstaatsverträge umgesetzt, von denen drei beschlossen wurden. In Kraft traten allerdings nur zwei der Änderungsstaatsverträge.
Das Auslaufen des Ersten Glücksspielstaatsvertrags und vor allem die geäußerte Kritik des EuGH veranlassten daher die Bundesländer zu einer Überarbeitung der gesetzlichen Regelung. Dieser sog. Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag (Erster GlüÄndStV) trat am 01. Juli 2012 in Kraft und stand unter dem Motto der Deregulierung. Die wesentlichen Änderungen betrafen:
Doch vor allem zwei Aspekte sorgten für Aufregung unter den Bundesländern und führten zu einer rechtlichen Problematik, die teils bis heute besteht.
Der Erste GlüÄndStV sollte eine Deregulierung des Sportwettenmarktes und Öffnung für private Anbieter mit sich bringen. Dafür sah das Gesetz eine sog. Experimentierklausel vor, die zunächst auf sieben Jahre befristet war. Darüber hinaus war den danach zugelassenen Anbietern grundsätzlich auch die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet möglich. So konnten 20 Konzessionen an private Anbieter von Sportwetten vergeben werden. Der Erteilung musste also bei mehr als 20 Interessenten an einer solchen Konzession ein Auswahlverfahren vorausgehen.
Zu einer rechtskräftigen Vergabe sollte es allerdings aufgrund gerichtlicher Auseinandersetzungen nie kommen: In zwei Urteilen (Urteil v. 16.10.2015, 8 B 1028/15 und Urteil v. 29.05.2017, 8 B 2744/16) kritisierte der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Auswahlverfahren und untersagte die Vergabe der Lizenzen. Begründet wurde dies unter anderem mit fehlender Transparenz im Rahmen des Vergabeverfahrens und einem Verstoß gegen die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit.
Das gescheiterte Vergabeverfahren zog zudem weitere Konsequenzen nach sich, da der EuGH in der Folge eine Bestrafung ausländischer Wettanbieter nach § 284 StGB (Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels) untersagte, solange es kein rechtskonformes Konzessionsverfahren in Deutschland gebe. Die rechtliche Unsicherheit rund um die sog. Experimentierklausel kann daher nach wie vor Bedeutung auf die Legalität von Online-Sportwetten haben.
Ein weiteres Problem des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages war die fehlende Ratifizierung durch das Bundesland Schleswig-Holstein. Der Staatsvertrag galt somit nur in den 15 übrigen Bundesländern, während Schleswig-Holstein auf ein eigenständig ausgearbeitetes „Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels“ setzte.
Darin blieb es beim staatlichen Veranstaltungsmonopol für Lotterien, während die Beschränkungen für Werbung und Vertrieb weitgehend aufgehoben wurden. Neu war jedoch die Möglichkeit für private Anbieter, sechsjährige Lizenzen für Online-Casinos und Sportwetten erwerben zu können. Erst im Januar 2013 trat Schleswig-Holstein unter einem neuen Regierungsbündnis dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag bei.
Dieser zwischenzeitliche Alleingang des norddeutschen Bundeslandes veränderte das Glücksspiel in Deutschland nachhaltig. Zahlreiche Sportwettenanbieter und Online-Casinos beantragten während der Geltung des Glücksspielgesetzes Lizenzen, die auch nach dem Beitritt des Landes zum Ersten GlüÄndStV Bestand hatten. Sie wurden sogar durch das schleswig-holsteinische „Gesetz zur Übergangsregelung für Online-Casinospiele“ vom 11. Juni 2019 bis zum 30. Juni 2021 verlängert.
Die Lizenzen sind territorial allerdings auf das Bundesland Schleswig-Holstein begrenzt. Insofern dürfen die Online-Glücksspielangebote der lizenzierten Anbieter auch nur Personen mit Wohnsitz im Bundesland zur Verfügung gestellt werden. In der Realität sind die Vorkehrungen zur Sicherstellung dieser Beschränkung jedoch schlicht und ergreifend unwirksam. Für Schleswig-Holsteiner, die Geld in einem lizenzierten Online-Casino verloren haben, ist eine Rückforderung vergangener Verluste wohl ausgeschlossen.
Aufgrund der zuvor erläuterten rechtlichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Experimentierklausel erarbeiteten die Bundesländer einen Entwurf zum zweiten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (Zweiter GlüÄndStV). Dieser wurde am 16. März 2017 von den Ministerpräsidenten der Länder unterzeichnet und sollte eigentlich am 1. Januar 2018 in Kraft treten.
Daraus wurde jedoch nichts. Die Novellierung scheiterte am Widerstand aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Aus diesem Grund trat der Zweite GlüÄndStV nie in Kraft.
In einem zweiten Anlauf gelang allerdings eine Überarbeitung des Ersten Glücksspieländerungsvertrags. Dieser trat am 01.01.2020 in Kraft und sah im Wesentlichen Änderungen der Experimentierklausel vor. Die wichtigste Neuerung betraf die Aufhebung der Begrenzung der Konzessionen für private Sportwettenanbieter. Da nunmehr jeder Bewerber, der die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, eine Lizenz erhalten kann, bedarf es keines Auswahlverfahrens mehr. Mit dieser Änderung wollte man die rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit dem Konzessionsverfahren umgehen.
Doch die Überarbeitung der Konzessionsvergabe sollte zunächst nicht die gewünschte Lösung des Problems mit sich bringen. Nachdem sich mehr als 45 Unternehmen um eine Lizenz beworben hatten, kippte das VG Darmstadt (Beschluss v. 01.04.2020 – 3 L 446/20.DA) die Erteilung. Problematisch sei unter anderem gewesen, dass nicht alle Anbieter gleichzeitig von der Möglichkeit des Erwerbs einer Lizenz informiert gewesen wären.
Das Land Hessen legte daraufhin Beschwerde gegen das Urteil des VG Darmstadt zum VGH Kassel ein, doch zu einer Entscheidung kam es nie. Die Klägerin im Gerichtsverfahren gegen das Vergabeverfahren, ein österreichisches Wettbüro, zog nach einer finanziellen Einigung auf Initiative von den bedeutenden Wettanbietern Tipico und Bwin am 09. Oktober 2020 ihren Antrag zurück. Noch am Abend desselben Tages erteilte das Regierungspräsidium die ersten 15 Sportwett-Lizenzen. Somit können lizenzierte Anbieter nunmehr legal Online-Sportwetten anbieten.
Angesichts der im Dritten Glücksspielstaatsvertrag unbehandelten Fragen zum Online-Glücksspiel entschlossen sich die Bundesländer, einen umfassenden neuen Glücksspielstaatsvertrag auszuarbeiten. Doch bereits vor der Ratifizierung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 einigten sich die Bundesländer auf eine Neuerung im gemeinsamen Vorgehen gegen Anbieter von bislang illegalem Online-Glücksspiel. So soll unter bestimmten Voraussetzungen Online-Glücksspiel geduldet werden.
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